Besetzung des Schöffenwahlausschusses

 
1. Zustandekommen des Wahlausschusses
2. Wahl der Vertrauenspersonen

1. Zustandekommen des Wahlausschusses

Bei jedem Amtsgericht, auch wenn dort kein Schöffengericht besteht, wird ein Schöffenwahlausschuss gebildet. Er besteht aus

  • einem Richter beim Amtsgericht (also nicht notwendig ein auf Lebenszeit angestellter Richter) als Vorsitzenden, der durch den Geschäftsverteilungsplan des Gerichts bestimmt wird; bei der Wahl der Jugendschöffen (die von demselben Wahlausschuss vorgenommen wird) muss der Vorsitzende ein Jugendrichter sein;
  • einem Verwaltungsbeamten, der von der Landesregierung per Verwaltungsvorschrift bestimmt wird (in aller Regel der Oberbürgermeister oder der Landrat, der die Aufgabe delegieren kann) sowie
  • sieben kommunalen Vertrauenspersonen, die von der Vertretung des unteren Verwaltungsbezirks aus den Einwohnern des Amtsgerichtsbezirks (nicht nur Mandatsträger!) mit einer Mehrheit von zwei Dritteln der anwesenden, mindestens jedoch der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder gewählt werden (§ 40 GVG).

Welche Gebietskörperschaft dieser untere Verwaltungsbezirk ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen Landesorganisationsrecht. In der Regel sind dies die Kreise und kreisfreien Städte, ggf. auch große kreisangehörige Städte.

  • Sind die Grenzen des Amtsgerichtsbezirks und des Verwaltungsbezirks identisch, wählt das Vertretungsorgan (Kreistag, Rat der Stadt, Stadtverordnetenversammlung usw.) die sieben Vertrauensleute. Gliedert sich der Verwaltungsbezirk noch einmal (z. B. in Ortsteile oder -bezirke), müssen diese nicht paritätisch entsprechend ihrer Einwohnerzahl berücksichtigt werden.
  • Umfasst der Amtsgerichtsbezirk mehrere untere Verwaltungsbezirke oder Teile davon, wird die Zahl der zu wählenden Vertrauenspersonen nach dem Verhältnis der Bevölkerungszahl verteilt, mindestens aber eine Vertrauensperson.
  • Umfasst umgekehrt ein Verwaltungsbezirk mehrere Amtsgerichte, wählt die Vertretung für jeden Wahlausschuss die Vertrauenspersonen aus der Einwohnerschaft des jeweiligen Amtsgerichtsbezirks. Haben diese Amtsgerichte ein gemeinsames Schöffengericht, werden die Vertrauenspersonen anteilig aus den Bezirken aller Amtsgerichte entsprechend der Einwohnerzahl gewählt.

2. Wahl der Vertrauenspersonen

Das GVG enthält keine Regelungen darüber, welche Voraussetzungen die Vertrauenspersonen für ihre Wahl erfüllen müssen. Einerseits wird die Auffassung vertreten, dass eine Vertrauensperson alle Bedingungen für die Wahl zum Schöffen erfüllen müsse und derjenige, der selbst unfähig ist, das Schöffenamt auszuüben, nicht an der Wahl der Schöffen mitwirken könne (Kissel/Mayer, GVG, 8. Aufl. 2015, § 40 Rn. 12; Katholnigg, Strafgerichtsverfassungsrecht, 3. Aufl. 1999, § 40 Rn. 4). Nach anderer Meinung darf ein EU-Bürger, der als Mitglied einer kommunalen Vertretung die Vorschlagsliste der Gemeinde mit beschließt, auch im Schöffenwahlausschuss mitwirken (vgl. Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 07.09.2009, HVerfG 03/08, NVwZ-RR 2010 S. 129). Diese Argumentation gilt in gleicher Weise für Mitglieder der Vertretungen, die zu Vertrauenspersonen gewählt werden sollen und zum Stichtag jünger als 25 Jahre oder älter als 70 Jahre sind. Auch diese dürfen – obwohl sie die Voraussetzungen als Schöffe nicht erfüllen – zu Vertrauenspersonen gewählt werden.
Der zweiten Auffassung ist der Vorzug zu geben. Wenn die Wahl als Vertrauensperson davon abhängen würde, selbst als Schöffe gewählt werden zu können, müssten alle Voraussetzungen für die Schöffenwahl geprüft werden (Insolvenz, Vorstrafen usw.; auch ein Pfarrer, der der Vertretung angehört, dürfte an der Wahl der Schöffen nicht teilnehmen). Da die Wahl der Schöffen kommunale Angelegenheit ist, muss sich die Frage, wer die Kommune im Wahlausschuss vertritt, nach Kommunalrecht, nicht nach Gerichtsverfassungsrecht richten. Diese Auffassung wird dadurch gestützt, dass das GVG zur Wahl der Vertrauenspersonen gerade keine Vorgaben macht (anders als etwa die VwGO bei der Wahl der ehrenamtlichen Verwaltungsrichter).

Einige Länder regeln die Wahl der Vertrauenspersonen in Ausführungsgesetzen zum GVG (AGGVG). Bayern bestimmt in Art. 3 BayAGGVG, dass bei einer Wahl durch den Gemeinderat Art. 51 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Gemeindeordnung sowie bei der Wahl durch den Kreistag Art. 45 Abs. 3 Satz 1 und 2 der Landkreisordnung (geheime Abstimmung) gelten. Das AGGVG Niedersachsen erklärt die Voraussetzungen für das Schöffenamt nach §§ 32 bis 35 GVG auf die Wahl der Vertrauenspersonen für anwendbar (§ 5 AGGVG), ebenso § 10 AGGVG Sachsen-Anhalt, § 3 AGGVG Rheinland-Pfalz. Gehört ein für den Schöffenwahlausschuss Vorgeschlagener der wählenden Vertretung an, ist er von der Teilnahme an der Wahl (d. h. seiner eigenen) nicht ausgeschlossen.

Zur Vertrauensperson können (und sollen) nicht unbedingt nur kommunale Funktionsträger gewählt werden. Es empfiehlt sich, auch auf Vertreter vorschlagender Organisationen oder sachkundige Mitglieder von Landesverbänden der Deutschen Vereinigung der Schöffinnen und Schöffen (DVS) zurückzugreifen. Soweit Einwohner des Amtsgerichtsbezirks zu Vertrauenspersonen gewählt werden, gelten für sie die gleichen Wahlvoraussetzungen wie für Mitglieder der kommunalen Vertretung.

Fehler bei der Wahl der Vertrauenspersonen (z. B. wenn das wählende Gremium – Kreistag oder Rat der Stadt – falsch besetzt war oder Förmlichkeiten bei der Wahl – öffentlich oder nichtöffentlich – verletzt hat) sollen nach der Rechtsprechung grundsätzlich keine Auswirkungen auf die Ordnungsgemäßheit der Schöffenwahl haben, weil den Gerichten eine soweit ins Vorfeld reichende Prüfung nicht zuzumuten sei. Willkürliche, d. h. schwerwiegende Fehler, die mit der Revision gerügt werden können, liegen hingegen z. B. vor, wenn

  • der Schöffenwahlausschuss bei der Wahl (noch) nicht vollständig war, weil eine oder mehrere Vertrauenspersonen noch nicht gewählt waren, da mehrere Verwaltungsbezirke für die Wahl zuständig waren,
  • die Vertrauenspersonen von einem unzuständigen Gremium gewählt wurden (BGH, Urteil vom 29.09.1964, 1 StR 280/64, BGHSt 20, 37, 40),
  • gar keine Wahl der Vertrauenspersonen stattgefunden hat (Vertrauenspersonen waren vom Büro des Oberbürgermeisters „ernannt“ worden).

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