Aufstellung der Vorschlagsliste


1. Beschluss der Vertretung/des Jugendhilfeausschusses
2. Auslegung und Bekanntmachung der Vorschlagsliste
3. Übersendung der Vorschlagsliste an das Amtsgericht


Für die Vorbereitung der Vorschlagslisten stehen Formulare und Mustertexte zur Verfügung.

1. Beschluss der Vertretung/des Jugendhilfeausschusses

Kommunale Vertretung und Jugendhilfeausschuss müssen sich darüber im Klaren sein, dass sie alle fünf Jahre einen entscheidenden Beitrag zu Qualität und Bürgernähe der Justiz leisten. Auf die Aufstellung der Vorschlagslisten sollte daher die nötige Sorgfalt verwendet werden. Das geht von der Positionierung des Punktes auf der Tagesordnung bis zum Aufwand, den jeder einzelne Kommunalvertreter bei seiner Entscheidung zu treiben bereit ist. Das bloße „Abnicken“ von Listen, die in der Verwaltung vorbereitet werden, entspricht nicht der Bedeutung des staatsbürgerlichen Ehrenamtes.

In vielen Gemeinden ist es üblich, die Wahl der Vorschlagsliste an das Ende der Tagesordnung der Sitzung zu setzen. Die Abwesenheit vieler Vertreter zu dieser Zeit hat den Gesetzgeber zu der Konsequenz veranlasst, das Quorum für die Liste auf zwei Drittel der anwesenden Mitglieder (mindestens aber die Hälfte der gesetzlichen Zahl) herabzusetzen. Diese Gesetzesänderung wäre entbehrlich gewesen, wenn die Wahl von den Vertretungen an den Beginn der Tagesordnung gesetzt würde, wie es der Bedeutung dieser Entscheidung entspricht. Jugendhilfeausschüsse sind sich in der Regel der Bedeutung dieser Wahl bewusster und platzieren den Tagesordnungspunkt an den Beginn der Sitzung.

Ob die Entscheidung über die Aufnahme in die Vorschlagsliste in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung stattfindet, richtet sich nach dem Kommunalverfassungsrecht. Grundsätzlich dürfte eine Entscheidung in öffentlicher Sitzung anzunehmen sein. Der Gemeindebürger hat einen Anspruch darauf zu erfahren, wer die Bevölkerung in den strafrechtlichen Hauptverhandlungen vertritt. Bei der Beratung und Entscheidung über die Aufstellung der Vorschlagsliste dürfen Persönlichkeitsrechte oder sonstige schützenswerte Interessen der Kandidaten jedoch nicht verletzt werden. Die Bewerber sollten darüber informiert sein, dass die Entscheidung in öffentlicher Sitzung fällt, sodass diejenigen, die bestimmte Umstände nicht erörtert wissen wollen, ihre Bewerbung zurücknehmen oder von ihr Abstand nehmen können. Das Gremium kann aber die kommunalrechtlichen Möglichkeiten ausschöpfen, indem die Liste in einer vertraulichen Sitzung beraten, der Beschluss aber in öffentlicher Sitzung gefasst oder die Öffentlichkeit über den Inhalt des nichtöffentlich gefassten Beschusses informiert wird.

a. Umfang der Vorschlagsliste
Nach § 36 Abs. 4 GVG sind in die Vorschlagslisten mindestens doppelt so viele Personen aufzunehmen, wie als erforderliche Zahl von den Präsidenten mitgeteilt wurde. Wie sich aus dem Begriff „mindestens" ergibt, können von einer Gemeinde auch mehr als die doppelte Zahl der erforderlichen Vorschläge gemacht werden. Das Doppelte stellt die untere Grenze der Zahl der in die Vorschlagsliste aufzunehmenden Personen dar. Es kommt vor, dass Vorsitzende des Schöffenwahlausschusses Listen zurückweisen, die mehr als die doppelte Zahl der benötigten Personen beinhalteten. Ein solches Monitum ist rechtswidrig, weil es einerseits gegen den klaren Wortlaut des Gesetzes verstößt, zum anderen eine solche Beanstandung nicht in die Kompetenz des Amtsrichters als Vorsitzenden des Schöffenwahlausschusses fällt.
Es ist auch nicht fehlerhaft, wenn eine Gemeinde die doppelte Zahl der erforderlichen Personen nicht erreicht. § 36 Abs. 4 GVG ist eine Ordnungsvorschrift, auf deren Verletzung eine spätere Revision nicht gestützt werden kann. Die Vorschrift zielt darauf, dass die Vorschlagslisten aller Gemeinden des Amtsgerichtsbezirks zusammen mindestens die doppelte Zahl von Vorschlägen erreichen sollen. Auch wenn diese zusammen das vorgeschriebene Doppelte nicht erreichen, ist dies ebenfalls noch nicht fehlerhaft. Problematisch wird es erst, wenn dem Schöffenwahlausschuss insgesamt so wenig Vorschläge unterbreitet werden, dass letztlich von einer Wahl nicht mehr gesprochen werden kann.

b. Vorbereitende Entscheidungsfindung
Zulässig ist es, wenn die Verwaltung einem Ausschuss der Vertretung die gesamte Liste der Namen vorlegt, dieser eine Auswahl trifft und die so gefundene Liste der Vertretung zur Beschlussfassung vorlegt. Allerdings muss die Vertretung die Möglichkeit haben, Veränderungen an der Liste vorzunehmen. Die zusätzlich vorgeschlagenen Personen müssen nicht bereits auf der Verwaltungsvorlage für den Ausschuss gestanden haben.
§ 36 Abs. 2 (für die Vorschlagsliste) und § 42 Abs. 2 GVG (für den Schöffenwahlausschuss) bestimmen, dass bei der Wahl der Schöffen alle Gruppen der Bevölkerung nach Geschlecht, Alter, Beruf und sozialer Stellung angemessen berücksichtigt werden sollen. Diese Vorschrift ist so zu lesen, dass alle Bereiche der Bevölkerung Zugang zum Schöffenamt haben und die Wahlgremien darauf achten sollen, dass nicht eine Schieflage zugunsten (Mitarbeiter des öffentlichen Dienstes) oder zuungunsten (Frauen, Selbstständige) bestimmter sozialer Gruppen entsteht. § 44 Abs. 1a DRiG schreibt vor, dass bei der Wahl ehrenamtlicher Richter Frauen und Männer angemessen, d. h. ihrem Bevölkerungsanteil entsprechend, berücksichtigt werden sollen. In einigen westdeutschen Ländern sind Frauen in den Schöffengerichten und Strafkammern immer noch zum Teil deutlich unterrepräsentiert. Andererseits sind in einigen ostdeutschen Ländern Frauen deutlich überrepräsentiert (vgl. die Schöffenstatistik).

Es ist unzulässig, die Auswahl nach sachfernen Kriterien, etwa nach den Anfangsbuchstaben der Namen oder straßenweise vorzunehmen. Die Eignung der Bewerber ist das entscheidende Kriterium der Wahl der Vorschlagslisten.

c. Ergänzende Vorschläge während der Sitzung
Auch wenn die Bewerbungsfrist abgelaufen oder ein vorbereitender Ausschuss tätig geworden ist, haben die einzelnen Mitglieder der Vertretungen und der Jugendhilfeausschüsse während der Sitzung noch das Recht, weitere personelle Vorschläge zu machen. Sie sind nicht auf die von der Verwaltung vorgelegten Personen beschränkt. So wie es das Recht der Beschlussorgane ist, bestimmte Personen nicht auf die Liste zu nehmen, ist es ihr Recht, andere Personen vorzuschlagen. Eine Ausschlussfrist, nach der eine Bewerbung bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr zulässig ist, ist unzulässig und würde die Entscheidung der Vertretung in nicht vertretbarer Weise einengen. Die im Verwaltungsverfahren gesetzten Fristen gewährleisten lediglich eine ordentliche Vorbereitung der Entscheidung von Vertretung bzw. Jugendhilfeausschuss. Sie begrenzen nicht die Entscheidungsbefugnis dieser Gremien. Bei ergänzenden Vorschlägen in der Sitzung muss der Vorschlagende die notwendigen Daten des Vorgeschlagenen angeben können.

d. Abstimmung über die Vorschlagsliste
Die Vorschlagsliste wird von der Gemeindevertretung bzw. dem Jugendhilfeausschuss aufgestellt. Für die Aufnahme in die Liste ist eine Mehrheit von zwei Dritteln der Zahl der anwesenden, mindestens aber der Hälfte der gesetzlichen Zahl der Mitglieder der Gemeindevertretung erforderlich. Das Verfahren, in dem dieses zu geschehen hat, ist im GVG nicht geregelt. Es richtet sich hinsichtlich der Förmlichkeiten des Beschlusses nach dem Kommunalrecht des jeweiligen Landes. Die Gemeindevertretung ist im Rahmen dieser Vorgaben also weitgehend frei in der Gestaltung der Abstimmung. Die Art der Abstimmung, insbesondere die Frage, ob in öffentlicher oder nichtöffentlicher Sitzung zu beraten und zu entscheiden ist, hängt von der Art der Beschlussfassung ab. In vielen Gemeinden bereitet die Gemeindeverwaltung den Beschluss so vor, dass sie der Vertretung eine in der Verwaltung abgestimmte Liste vorlegt, die die Vertretung mit der erforderlichen Mehrheit in toto beschließt. Dieses Verfahren ist rechtlich bedenklich, weil somit die Entscheidung darüber, wer in die Vorschlagsliste aufgenommen wird, nicht von der Gemeindevertretung, sondern von der Verwaltung getroffen wird. Zwar spricht das GVG in § 36 bei der Aufstellung der Vorschlagslisten nicht von einer Wahl (anders für den Schöffenwahlausschuss, § 42 GVG). Der BGH hat in seiner grundlegenden Entscheidung vom 30.07.1991 (5 StR 250/91, BGHSt 38, 47, 49) jedoch darauf hingewiesen, dass Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung gebieten, dass die Gemeindevertretung durch eine individuelle Vorauswahl die Gewähr für die Heranziehung erfahrener und urteilsfähiger Personen übernimmt. Mit dieser Begründung hat er auch die Zufallsauswahl aus dem Melderegister für unzulässig erklärt. Der BGH geht also offensichtlich von einer zumindest wahlähnlichen Handlung der Gemeindevertretung aus. Die Mitglieder der Wahlgremien entscheiden nach ihrem freien, grundsätzlich nicht überprüfbaren Ermessen. Einen Anspruch, in die Vorschlagsliste aufgenommen zu werden, gibt es für den Bürger nicht. Eine Anrufung eines Gerichts zur Aufnahme in die Vorschlagsliste ist demnach unzulässig. Allerdings darf sich die Gemeindevertretung bei der Aufstellung nicht von unsachgemäßen Erwägungen leiten lassen.

Mitglieder der Gemeindevertretung, die selbst zur Aufnahme in die Vorschlagsliste vorgesehen sind, können gleichwohl an der Abstimmung über die Liste teilnehmen. Die Berufung in das Schöffenamt ist kein unmittelbarer Vorteil, der wegen Befangenheit von der Teilnahme an der Beschlussfassung ausschließen würde.

2. Auslegung und Bekanntmachung der Vorschlagsliste

a. Dauer der Auslegung
Die Vorschlagsliste ist in der Gemeinde eine Woche lang öffentlich auszulegen (das Gesetz spricht von „auflegen“, § 36 Abs. 3 GVG). Ort und Zeit der Auslegung sind (entsprechend den jeweiligen landesrechtlichen Vorschriften) nach den ortsüblichen Regeln bekannt zu machen (Aushang, Veröffentlichung im Amtsblatt oder Internet o. Ä.). In der Bekanntmachung ist auf die gesetzliche Möglichkeit, Einspruch einzulegen, hinzuweisen. Jedermann - nicht nur der Bürger der jeweiligen Gemeinde - kann in die Liste Einsicht nehmen. Die Wochenfrist umfasst fünf Werktage, an denen die Liste eingesehen werden kann (Montag bis Freitag ist ausreichend). Die Vorschlagsliste muss an allen Tagen der Auslegung zugänglich sein. Liegt die Liste in einem Verwaltungsbüro aus und die Verwaltungsstelle ist an einem Tag der Woche geschlossen, entspricht die Auslegung nicht den gesetzlichen Regeln. Auch eine Auslegung, zu der die Bürger nur zu den Sprechstunden Zugang haben (etwa von 10 bis 12 Uhr und von 13.30 bis 15.30 Uhr), genügt den Erfordernissen nicht. Durch solche engen Zeiten wird ein großer Teil der Bürger von der Kenntnisnahme ausgeschlossen. Es empfiehlt sich der Aushang an einem ungehindert zugänglichen Ort (z. B. in der Eingangshalle des Rathauses oder der sonstigen Verwaltungsstelle).

b. Einsprüche gegen die Vorschlagsliste
Binnen einer weiteren Frist von einer Woche nach Beendigung der Auslegung kann jeder gegen eine Person auf der Liste Einspruch einlegen (§ 37 GVG) mit der Begründung, dass die Voraussetzungen der Wahl nicht vorliegen. Die Behauptung, jemand auf der Liste sei als Schöffe gar nicht geeignet, ist nicht zulässig. Diese Beurteilung obliegt nur den kommunalen Gremien und dem Schöffenwahlausschuss. Unzulässig ist es, Einspruch einzulegen, weil jemand nicht in die Vorschlagsliste aufgenommen wurde. Es gibt keinen Anspruch auf eine Wahl.
Der Einspruch muss schriftlich eingelegt oder zu Protokoll der Gemeindeverwaltung gegeben werden. Die Verwaltung hat dafür zu sorgen, dass eine Möglichkeit zur Protokollierung vorhanden ist. Auf die Räumlichkeiten, in denen dies geschehen kann, ist möglichst schon in der Bekanntmachung nach § 36 Abs. 3 GVG hinzuweisen. Adressat des Einspruchs ist der Schöffenwahlausschuss. Nur er entscheidet über die Berechtigung der Einsprüche, nicht die Gemeinde. Der Zeitpunkt, bis zu dem die Auslegung abgeschlossen sein muss, wird von der Landesjustizverwaltung festgelegt (§ 57 GVG).

3. Übersendung der Vorschlagsliste an das Amtsgericht

Der Gemeindevorsteher übersendet die Vorschlagsliste mit den Einsprüchen an den Richter des Amtsgerichts, zu dessen Bezirk die Gemeinde gehört (§ 38 Abs. 1 GVG). Dazu gehören auch Einsprüche, die verspätet eingegangen sind. Der Vorschlagsliste ist bei der Übersendung eine Bescheinigung über die Auslegung der Liste und der Bekanntmachung beizufügen, da der Amtsrichter die korrekte Auslegung zu überprüfen hat (§ 39 Satz 2 GVG). Auch nach ihrer Absendung an das Amtsgericht kann eine Berichtigung der Vorschlagsliste zulässig und erforderlich sein. Der Gemeindevorsteher hat von den ihm bekannt gewordenen Umständen Anzeige zu machen. Zuständig für die Berichtigung ist der Schöffenwahlausschuss. Auf diese Weise wird verhindert, dass eine Person gewählt wird, die anschließend sofort von der Schöffenliste gestrichen werden müsste. Anzeigen muss der Gemeindevorsteher auch nachträglich erkannte Verfahrensfehler.

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